Brachiopoden
Brachiopoden = Armfüßer
Brachiopoden erscheinen auf den ersten Blick wie Muscheln. Grundlegende Unterschiede weisen sie aber als völlig eigenständige Tiergruppe aus. So bedecken die beiden verkalkten Klappen nicht die linke und die rechte Seite, sondern Bauch- und Rückenseite des Tieres. Die Klappen werden über Schlosszapfen, ähnlich wie bei einer Türangel, so passgenau geführt, dass sie selbst nach dem Tod des Tieres nicht auseinanderfallen.
Das Öffnen der Schale geschieht durch Muskelzug an einem kleinen Hebel an der Rückenklappe. Die Weichteile der Brachiopoden sind sehr klein: im Innern der Schale befindet sich ein großer Hohlraum. In diesen ragen die Armgerüste, zwei Auswüchse der Rückenklappe, nach deren Form (Platten, einfache Spangen, Schlaufen oder sogar Spiralen) man die Armfüßer einteilt.
An den Armgerüsten sitzen fächerförmige, aufgerollte Arme (daher der Name „Armfüßer“), die Wasser durch den Körperhohlraum pumpen und dabei Sauerstoff und kleine Nahrungspartikel herausfiltern. Die meisten Brachiopoden sind mit einem speziellen Organ, einem fleischigen Stil, am harten Untergrund festgeheftet und schweben daran befestigt im Wasser. Einigen Arten gelang es aber, mit verschiedenen Strategien schlammige Untergründe als neuen Lebensraum zu erobern und sich damit in fast allen Flachmeeren auszubreiten.
Brachiopoden gehörten im Paläozoikum zu den wichtigsten und häufigsten Meeresbewohnern. Ab der Trias wurden sie langsam von den Muscheln aus ihren ökologischen Nischen verdrängt. Heute sind sie nur noch mit wenigen Arten in Lebensräumen wie kalten, arktischen Meeren, wo ihnen ihr geringer Nahrungsbedarf zugutekommt, vertreten.
Schlossloser Brachiopode Lingula
Typisch: Zungenförmig („Zungenmuschel“).
Vorkommen: Ordovizium bis heute.
Verbreitung: Dolomite des Lettenkeuper; Kupferschiefer Mitteldeutschlands.
Wissenswertes: Lingula existiert völlig unverändert seit 500 Millionen Jahren und ist gilt damit als „lebendes Fossil“. Als urtümlicher Brachiopode ist sie schlosslos und kann sich daher als einziger Armfüßer durch Hin- und Herdrehen der Klappen in weichen Meeresböden eingraben. Lingula zeigt Küstennähe mit extremen Bedingungen an: Sie erträgt ein Trockenfallen und wechselnden Salzgehalt. Die Schale besteht aus Chitin und Phosphat.
Schlossloser Brachiopode Crania
Typisch: Hütchen mit innerem „Totenkopf-Muster“.
Vorkommen: Ordovizium bis heute.
Verbreitung: Obere Kreide Norddeutschlands.
Wissenswertes: Die verkalkte Schale von Crania besaß wie Lingula weder Schloss noch Armgerüste. Daneben war das Haftorgan, der Stiel, völlig reduziert. Sie zementierte sich als Larve für den Rest ihres Lebens mit der flachen Bauchklappe auf hartem Untergrund fest. Ihr Vorkommen deutet daher auf stark bewegtes Meerwasser hin. Die beiden runden Ansätze der Schließmuskeln im Innern der gewölbten Rückenklappe ähneln den Augenhöhlen eines Totenschädels („Totenkopfmuscheln“).
Brachiopode Leptaena
Typisch: Klappe am Rand rechtwinklig geknickt.
Vorkommen: Ordovizium bis Karbon.
Verbreitung: Tonschiefer im Sauerland.
Wissenswertes: Als jugendliche „Dünnmuschel“ lag Leptaena flach auf weichen Meeresböden. Sie dürfte durch wiederholtes Zuklappen der Schalen sogar schwimmfähig gewesen sein. Erst im Alter wuchs die Schale nach oben hin zur sogenannten Schleppe aus und konnte nicht mehr geöffnet werden. Leptaena ließ sich vom Schlamm zudecken und filterte das Wasser ausschließlich mithilfe der klaffenden Schleppe. Eingegrabene Brachiopoden waren gegenüber Muscheln mit Atemschläuchen im Nachteil.
Brachiopode Atrypa
Typisch: Gegitterte Schale
Vorkommen: Silur bis Devon.
Verbreitung: Devon von Eifel und Harz.
Wissenswertes: Atrypa ist kennzeichnend für das mittlere und obere Devon. Ihr Gerüst bildete zwei verkalkte Spiralen, die die langen Filterarme platzsparend unterbrachten. Atrypa lebte als unspezialisierter Bewohner in verschiedenen marinen Lebensräumen wie Riffen und Flachwasserzonen. Da der Stiel im Alter allmählich reduziert wurde, lag sie schließlich mit der Bauchklappe am Meeresboden. Manchmal finden sich in der Schale die Bohrgänge wurmartiger Parasiten, die vermutlich an der Nahrung des Brachiopoden teilhaben wollten.
Brachiopode Spirifer
Typisch: Flügelartig verlängerte Seiten.
Vorkommen: Devon bis Karbon.
Verbreitung: Devon der Eifel.
Wissenswertes: Die Spiriferen, ebenfalls mit spiraligem Armgerüst, stellen wichtige Leitfossilien im Devon. Während ihrer Lebensphase standen die Tiere aufrecht mit der Mündung nach oben auf weichen Meeresböden.